Fünf Erzählungen
1993 ff.

128 Seiten, Hardcover
D: € 10,50, A: € 10,80, SFR 19
ISBN 3-924652-20-1

Elisabeth Augustin
Das Guckloch


Die Erzählungen Vorm Fenster, Der Hausierer, Das Guckloch, Der Improvisationsredner, Die Geretteten handeln von der Flucht nach Holland 1933 und der deutschen Besatzung, von der Lebenssituation und den Gefühlen der Überlebenden sowie von einer Begegnung im Nachkriegsberlin.

Buchentstehung
Nachdem 1988 der Roman Auswege von Elisabeth Augustin erschienen war, haben wir diesen Erzählband zusammen gestellt, der 1993 zum neunzigsten Geburtstag der Autorin erschien. Das Amsterdamer Goethe-Institut richtete ihr eine Feier aus, auf der wir dieses Buch präsentierten.


Zur Autorin

Elisabeth Augustin wurde 1903 in Berlin geboren und wuchs in Leipzig auf. Sie nahm Schauspielunterricht und arbeitete für Presse und Funk. 1933 Flucht nach Amsterdam. Seitdem schrieb die Autorin in zwei Sprachen: Erzählungen, Romane, Hörspiele und Gedichte. Sie übersetzte aus dem Niederländischen und besprach deutsche Neuerscheinungen für die niederländische Presse. 1977 erhielt sie den Georg-Mackensen-Preis für die beste deutsche Kurzgeschichte, 1987 den Kogge-Ring der Stadt Minden, 1992 die Goethe-Medaille des Goethe-Instituts und den Jacobsonpreis der Stiftung Tollensfonds. Sie starb 2001 in Amsterdam. Gleichfalls im persona verlag erschienen isr der Roman "Auswege".

Pressestimmen

"Dem Engagement und der Hartnäckigkeit des auf Exilliteratur spezialisierten Mannheimer persona verlags ist es zu verdanken, daß wenigstens Elisabeth Augustins Nachkriegsroman Auswege dem deutschen Lesepublikum zugänglich ist. Im selben Verlag erschien soeben der Band Das Guckloch, eine Sammlung von fünf Erzählungen zum Themenkreis Krieg, Verfolgung und Exil, die hiermit erstmals gebündelt vorliegen." (Michael Augustin, die horen)

"Das Bild des Gucklochs ist programmatisch für Elisabeth Augustins Schreiben. Mit ihrem sprachlichen Seziermesser werden Vergangenheit, Gegenwart und mögliches Geschehen unter die Lupe genommen und verschmelzen zu einem beunruhigenden Textgefüge. Die Textstimmen, die Vermischung und Auflösung der chronologischen Zeit ziehen den Leser in den labyrinthischen Sog des Textes...Elisabeth Augustin ist eine Schriftstellerin, die in fünfzig Jahren ein vielseitiges Werk geschaffen hat, in dem beide Kulturen früh eigene Spuren hinterließen. Neunzig Jahre Zeitgeschichte haben es geprägt und die eigenwillige Vielfalt ihres Oeuvres gilt es in Deutschland erst zu entdecken." (Gabriele Gellings, Börsenblatt)

Textprobe

"Jedenfalls waren wir zusammen im Zimmer gewesen, Mama und ich. Papa nicht, der war vielleicht kegeln gegangen oder Skat spielen, er ließ uns zwei Abende in der Woche allein. Mama ärgerte sich und beklagte sich darüber, aber das nützte nichts, und mit dieser Geschichte hat es ja auch nichts zu tun, es kommt nicht darauf an, ob Papa an dem Abend auch oder noch zuhaus war oder nicht. Wenn er zuhaus gewesen wäre, hätte er es vielleicht genauso gemacht wie Mama oder nur ein bißchen anders. Vielleicht hätte er mich nicht auf den dunklen oder dämmerigen Korridor hinausgeschickt, vielleicht hätte er nicht von mir verlangt die Unwahrheit zu sagen, mein Papachen, ich war ja sein Strolch, wir beide verstanden uns, wenn er mich auch manchmal auszankte oder mir eine Ohrfeige gab. Von ihm ließ ich mir das gefallen, bei ihm war es verdient, nur Mama schalt einen aus, wenn man garnichts auf dem Gewissen hatte und ließ einen machen was man wollte, wenn sie einem etwas hätte verbieten oder wegnehmen sollen. Vor ihr hatte ich denn auch keinen Respekt, und ihre Weichherzigkeit und Nachgiebigkeit habe ich ihr übel vergolten. Ach, schweigen wir darüber, sie ist tot, und was für einen Tod starb sie! Still, so weit ist es noch nicht, noch lange nicht, es ist noch das erste Jahrzehnt des Jahrhunderts, wir haben noch Gaslampen und an anderes Gas, Giftgas, denkt kein Mensch. Papa ist nicht zuhause, nur Mama und ich sitzen im Zimmer, und es hat geklingelt. Es hat einmal zweimal dreimal geklingelt. Ein zögerndes heiseres Klingeln mit langen Pausen dazwischen. Mama weiß gleich wer so klingelt und legt den Finger auf den Mund."