Erzählungen
1989 ff.

168 Seiten, engl. Br.
D: € 12,50, A: € 12,90, SFR 23
ISBN 3-924652-12-0

Ruth Berlau
Jedes Tier kann es


Aus dem Dänischen von Regine Elsässer
Mit einem Nachwort von Klaus Völker

Die Liebe zwischen Frauen und Männern ist das durchgängige Thema dieser witzigen und bitterbösen Erzählungen, allerdings mehr ihre Unmöglichkeit als ihr Gelingen. Denn jedes Tier kann es, aber die Männer können es nicht mehr: eine Frau umarmen.
Auch als Hörbuch, gelesen von Judith Steinhäuser: www.hoerkultur.com

Buchentstehung
Die dänische Originalausgabe erschien 1940 in Kopenhagen unter dem Pseudonym Maria Sten. Nachdem 1985 Hans Bunges Buch über Ruth Berlau erschienen war, machten mich Freunde darauf aufmerksam, dass Ruth Berlau offenbar Bücher geschrieben habe, ob das nicht etwas f&uumml;r mich sei? Gesagt, getan. Bis heute ist dieser Band übrigens in Dänemark nicht wieder neu aufgelegt worden.


Zur Autorin

Ruth Berlau (1906-1974) kennt man vor allem als Mitglied des Brechtschen Harems. Daß sie eine berühmte Schauspielerin war, Brechts Texte ins Dänische übertrug, selbst schrieb und während des Krieges in den USA Radiosendungen für dänische Hörer gestaltete, ist weniger bekannt. Ruth Berlau dokumentierte Brechts Theaterarbeit in unzähligen Fotografien, die Bezeichnung “Berliner Ensemble” stammt von ihr.

Pressestimmen

"‘Aufschreiberin’ wollte Ruth Berlau sein. Und so verschieden in der Form ihre Geschichten auch sind, absurd auf den allerersten Blick, alle sind erfundene Berichte aus dem wirklichen Leben. Auch die Sprache dieser Texte ist kunstvoll in ihrer Kunstlosigkeit. Lakonisch werden Sätze aufgereiht wie Perlen, und staunend stellt man fest, dass man aufwendige Bilder und rhetorische Finessen gar nicht vermisst. Denn der Lapidarstil der Berlau ist genau kalkuliert... Ein ‘Frauenbuch’ nannte Brecht den dänischen Band 1942 in einem Brief... Dieses Frauenbuch kann auch Männern empfohlen werden. Aber Vorsicht: Mann fühlt sich leicht entlarvt." (Reinold Schmücker, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt)

"Berlaus Erzählungen beeindrucken nicht nur durch treffende Episoden, die die abgrundtiefe Banalität männlicher Sexualität widergeben, und durch ihre erfrischend unverblümte, freche Sprache, sondern auch durch die ironische Thematisierung des so häufigen Zusammenhangs von Geld und Liebe." (Gabriele Raether, Die neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte)

Textprobe

"Ihr habt von den Männern erzählt, die euch geheiratet haben, und ich kann von den Männern erzählen, die mich nicht geheiratet haben. Ich habe genug gehabt. Wenn man das überhaupt ‘haben&lrquo; nennen kann, aber man sagt ja auch ‘einen Schnupfen haben’. Man kann ein paar Mal im Jahr einen Schnupfen haben, es ist jedes Mal ein anderer, und doch ist er immer gleich. Deshalb muß ich lachen, wenn ich euch “mein” sagen höre. Denn sie sind doch alle gleich, so wie null und null auch gleich sind. Sicher, sie haben unterschiedliche Schnurrbärte, Berufe und Laster, aber das, worin sie alle gleich sind, ist: Sie funktionieren nicht. So hat die eine vielleicht einen vortrefflichen Mann, der nicht funktioniert, und eine andere einen miserablen Mann, aber wozu lange darüber reden? Es gibt keinen Unterschied. Sie laufen mit so hoch erhobenen Köpfen durch die Welt, daß sie einen Schuhlöffel brauchen, um den Hut aufzusetzen, aber sie funktionieren nicht. Sie können die natürlichste Verrichtung der Welt nicht ausführen. Jedes Tier kann es, aber sie können es nicht mehr. Das kommt daher, daß sie Hornhaut an den Fingern haben vom Geldzählen, und sie betrügen mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie atmen, so daß sie einfach betrügen müssen, auch wenn es sie etwas kostet. Sie haben die erstaunlichsten Dinge erfunden, Telephon, Telegraphie, sogar drahtlos, damit sie sich besser gegenseitig betrügen können. Sie unterziehen sich jahrelangen Ausbildungen, um kunstvolle Manipulationen zu lernen, wie sie sich gegenseitig das Geld aus der Tasche ziehen können. Sie fliegen über die Meere, um sich gegenseitig zu verfolgen. Wie sollten sie es da fertigbringen, ihre Frauen nicht zu betrügen, zumindest nicht um ihr Lebensglück? Ja, sie beherrschen alle möglichen Apparate, aber eine Frau umarmen, das können sie nicht mehr."