Phrasen für alle Lebenslagen
Aus dem Französischen von Sonja Finck
2013

120 Seiten, Hardcover
€ 17,50, SFR 27,00
ISBN 978-3-924652-39-5


E-Book: € 12,99
ISBN ...-66-1 (epub)
ISBN ...-56-2 (mobipocket)

Philippe Delerm
Vorsicht, der Teller ist heiß!


Delerm sammelt Redensarten wie andere Bierdeckel oder Briefmarken, um sie ebenso kritisch wie liebevoll zu sortieren und zu studieren. Er spielt mit unseren Sprach− und Redegewohnheiten, untersucht Ober- und Untertöne gängiger Phrasen und entlarvt deren unfreiwillige Komik sowie tieferen Sinn. Im Restaurant − "Vorsicht, der Teller ist heiß!" −, am Rand des Fußballfelds − "Über den Flügel, verdammt!" −, beim Abhören des Mobiltelefons − "Sie haben keine neue Nachricht!" − oder vor der Gegensprechanlage − "Ich bin’s!" −: In allen diesen Phrasen steckt ein Surplus. Delerm öffnet die Hintertürchen der Kommunikation, und wir staunen mit dem Autor darüber, was alles bei einer tausendfach verwendeten Floskel mitschwingen kann. "Ich sollte mal wieder Proust lesen", genau. Und was ist mit der Flasche Wein, die wir etwas zu forsch bestellten? "Wir müssen sie ja nicht austrinken." "Jetzt mal ganz unter uns": Das ist "wirklich" eine schöne Textsammlung. Und "wenn man erst mal drin ist, ist es gar nicht so kalt!" Oh, das bezog sich auf etwas anderes ... "Mir fehlen die Worte." Nein, denn: "Das steht alles in meinem Buch!"

Buchentstehung
Durch die Vorschau des franzöischen Verlags Seuil wurde ich auf diesen Titel aufmerksam. Er passt hervorragend zum "Buchgeflüster" von Annie François!

Zum Autor

Philippe Delerm, 1950 in Auvers-sur-Oise geboren, zählt zu den meistgelesenen französischen Autoren. Nach dem Studium der Philosophie war er Lehrer am Collège Marie Curie in Bernay. Er lebt mit seiner Familie in der Normandie. Gelegentlich arbeitet er als Sportkommentator, so bei den Olympischen Spielen in Athen und Peking. 1997 erhielt er in Frankreich den Preis der Buchhändler. Er hat 45 Bücher publiziert, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Das erfolgreichste war Ein Croissant am Morgen (Goldmann). Beim französischen Verlag Seuil gibt er die Reihe Le goût des mots heraus.

Pressestimmen

"Delerm inszeniert einen Karneval der Sprache, eine Konfettiparade der alltäglichen Floskeln." (Le nouvel Observateur)

"Delerm lauscht den Worten nach, lässt sie genüsslich auf der Zunge zergehen und versucht, ihnen ihre Seele und tiefen Sinn zurückzugeben." (Le Figaro)

Textprobe

Vorsicht, der Teller ist heiß!" Diese vermeintlich objektive Ankündigung steckt voller Konnotationen. Zunächst einmal wird der Kellner mit seinen Worten die Körperhaltung der Gäste verändern. Seit einer halben Stunde neigen sich diese vor, weil sie auf die Gelegenheit lauern, sich gegen das anschwellende Stimmengewirr im Saal zu behaupten und ein Bonmot anzubringen oder eine Anekdote zu erzählen. Der Satz "Vorsicht, der Teller ist heiheiß!" zwingt sie dazu, sich zurückzulehnen, und verdammt sie womöglich gar zu sekundenlangem Schweigen. Er wird bisweilen mit autoritärer Geschäftigkeit vorgetragen, klingt aber meist wie eine geradezu genüssliche Warnung. Er geht weit über "Darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass ich existiere?" hinaus. Die Worte haben nämlich vor allem eine gastronomische Bedeutung. Man setzt Ihnen hier nicht irgendeinen Fraß vor, und der Teller ist nur deshalb heiß, weil die Küche dem Gericht die größte Sorgfalt hat angedeihen lassen. Wenn Sie nicht der allerletzte Bauerntrampel sind, stellen Sie Ihre ermüdend vorhersehbare Heiterkeit für einen Moment ein und konzentrieren sich auf das Essen, das Sie bestellt haben. Das spätere "Möchten die Herrschaften noch einen Kaffee?" ist nur noch Geplänkel, ein Nachspiel. Der dramaturgische Höhepunkt der Kellner-Gast-Dialektik war eindeutig die erfolgreiche Umkehrung des Machtverhältnisses durch den verkappten Befehl: "Vorsicht, der Teller ist heiß!